Gabriel-Urbain Fauré

12. Mai 1845 - 4. November 1924

Gabriel-Urbain Fauré

Geboren am 12. Mai 1845 in Paniers (Ariège)
Gestorben am 4. November 1924 in Paris

Als fünftes von sechs Kindern kam Gabriel Fauré im südfranzösischen Paniers (zwischen Toulouse und den Pyrenäen) zur Welt. Die 15 Jahre ältere Schwester Rose-Elodie-Gabrielle und der älteste Bruder Amand waren seine Taufpaten.
Gabriel verbrachte bereits als Fünfjähriger viel Zeit am Harmonium. Die Familie wohnte nämlich im Gebäude eines Lehrerseminars, das an eine Kirche angrenzte. Gabriels Vater war Direktor des Internats geworden. Da auch Musik unterrichtet wurde, konnte die Begabung des Knaben ganz natürlich gefördert werden, sozusagen als Zeitvertreib neben der Schule. Mit 8 Jahren spielte Gabriel schon ausgezeichnet Klavier. Ein Besucher der Familie setzte sich dafür ein, dass das junge Talent ernst genommen wurde. Ein Jahr später reiste sein Vater mit ihm nach Paris, wo Gabriel in eine hervorragende, eben erst eröffnete Kirchenmusikschule eintreten konnte. Der Gründer, ursprünglich ein Schweizer, Louis Niedermeyer (er war bei Ignaz Moscheles in Wien ausgebildet worden) unterrichtete den Knaben wie ein Vater. Bis zum 20. Lebensjahr blieb der junge Fauré an diesem Institut. Einerseits bekam er dort eine gute Allgemeinbildung und andererseits wurde er in alter Musiktradition geschult.

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Unerwartet starb L. Niedermeyer 1861. Camille Saint-Saens übernahm den Klavierunterricht. Er setzte sich ganz besonders für den begabten Schüler ein, schickte ihn an verschiedene Wettbewerbe, wo Fauré mehrmals mit Preisen ausgezeichnet wurde. Der nur 10 Jahre ältere Saint-Saens führte ihn in die Kompositionen von Mendelsohn, Schumann, Wagner und Liszt ein. Die beiden wurden lebenslange Freunde und pflegten einen regen Briefkontakt.
Obwohl Faurés erste Stelle die eines Organisten in Rennes war und die Orgel für ihn 40 Jahre lang die Existenzgrundlage bedeutete, blieb doch das Klavier sein Instrument, für welches er hauptsächlich komponierte. Die menschliche Stimme kam an nächster Stelle. So entstanden neben der vokalen Musik für die Kirche über 100 Lieder aus seiner Feder.
Nach fünf Jahren rief Saint-Saens seinen Freund nach Paris zurück, verschaffte ihm dort eine Organistenstelle und machte ihn mit César Franck bekannt.

Fauré in UniformDoch schon bald brach der französisch- preussische Krieg aus und Fauré wurde als Kurier in ein Infanterie Regiment eingeteilt. Seine liebenswürdige Art verhalf ihm sogar in der Armee zu neuen Freundschaften. Zwischen den Schlachten sorgte Fauré für Unterhaltung; er gab improvisierend mehrere Rezitals. Seine Tapferkeit in der Schlacht von Champigny trug ihm eine besondere Auszeichnung ein.


Nach dem Krieg kehrte Fauré nach Paris zurück, d. h. zurück in den Organistendienst. Im Sommer 1871 unterrichtete er als Kompositionslehrer an der Niedermeyer-Schule, welche sich vorübergehend in Lausanne angesiedelt hatte.
Im Herbst bekam er an der Kirche von St. Sulpice in Paris eine neue Organistenstelle. An der Hauptorgel spielte Charles-Marie Widor; er aber durfte nur den Chor begleiten. Dafür erhielt er einen ganz geringen Lohn. Hie und da improvisierten die beiden Musiker zusammen über irgendwelche Themen und amüsierten sich dabei sehr.
1877 wurde Fauré zum Chorleiter der Eglise de la Madeleine gewählt. Aber das Prestige, das diese Anstellung mit sich brachte, stand in einem beklagenswerten Widerspruch zu der kargen Besoldung. Viele kostbare Stunden, in denen er sich lieber der Komposition zugewandt hätte, musste er dafür aufwenden, bei Gesangsvereinen als Begleiter zu fungieren oder Klavierunterricht zu erteilen.
Fauré führte ein Doppelleben. Am Morgen fand er sich zu den Chorproben in der Madeleine ein. Nachmittags eilte er kreuz und quer durch die Stadt und besuchte seine zahlreichen Privatschüler. Am Abend aber tauchte er in die luxuriöse Welt der Pariser Salons ein, in die illustre Gesellschaft der aristokratischen Mäzene und der gefeierten Künstler. Fauré war in dieser berauschenden Sphäre ein gerngesehener Gast, der hier die Sorgen seines gleichförmigen, anstrengenden Alltags vergessen konnte. Als glänzender Improvisator am Klavier wurde er mit seiner attraktiven Erscheinung von einer grossen Hörerschaft bewundert.

Im Salon von Pauline Viardot lernte Fauré nicht nur Charles Gounod kennen, sondern auch die beiden musikalischen Töchter der Familie. Fauré genoss die familiäre Vertraulichkeit, und Mlle. Marianne Viardot gefiel dem Charmeur besonders gut. Eine glückliche Zeit folgte. 1877 verlobten sich die beiden. Mariannes Mutter Pauline interessierte sich sehr für die Musik des jungen Komponisten. Für sie und ihre Töchter schrieb Fauré Lieder und Klavierstücke. Den gut gemeinten Ratschlag von Mme. P. Viardot, er möge doch auch eine Oper komponieren, wollte Fauré damals nicht annehmen.
Doch die geplante Hochzeit wurde verschoben; Gabriels Ungeduld wuchs. Schlussendlich wurden die beiden Verlobten krank. Nochmals wurde der festgelegte Termin verschoben.
Fauré schrieb beleidigende Briefe an seine Braut, worauf diese mit einer Absage reagierte.
Die nachfolgendenden Kompositionen stehen fast ausnahmslos in Moll- Tonarten. Es entstanden die Lieder "Automne" und "Le Voyagueur", die Elegie für Cello und Klavier und auch das "Libera me" für Bariton und Orgel (später in sein Requiem aufgenommen).

1883 beschloss G. Fauré, nicht mehr länger Junggeselle zu bleiben. Für einen beinahe 40-jährigen Mann gehörte es sich, einen Ehestand zu gründen. In jener Zeit war es durchaus üblich, dass man sich eine Frau suchen liess. Von der Kupplerin, die ein Jahr später für Claude Debussy eine Gattin fand, liess sich nun Fauré drei Damen aus der guten Gesellschaft vorschlagen. Da er sich aber nicht entscheiden konnte, beschrieb er drei Zettelchen mit den möglichen Kandidatinnen, schüttelte diese in einem Hut durcheinander und zog den Namen Marie Fremiet. Dahinter verbarg sich die Tochter eines bekannten Bildhauers. Die Ehe wurde geschlossen, und die Söhne Emmanuel und Philippe kamen zur Welt. Marie war an der Musikszene von Paris überhaupt nicht interessiert.
Oft vernachlässigte sie die Wäsche, um ihren Mann am abendlichen Ausgang zu hindern. Sie betreute zwar die Kinder, lebte aber ganz zurückgezogen.
Später verkehrten Marie und Gabriel Fauré nur noch brieflich. Emmanuel studierte Naturwissenschaften, Philippe wurde Schriftsteller und schrieb sogar eine Biographie seines Vaters.

Fauré sitzendLange musste Fauré darauf warten, ein öffentliches Amt bekleiden zu dürfen.

1892 wurde er zum Inspektor für Musikunterricht gewählt, ein offizieller Titel, der ihm einiges Ansehen eintrug, ihn aber wegen der häufigen damit verbundenen Reisen allzusehr in Anspruch nahm.

1896 wurde Fauré Titularorganist der Madeleine und war endlich von der mühsamen Chorarbeit befreit.
Im selben Jahr noch bekam er als Nachfolger von Jules Massenet am Conservatoire den Lehrauftrag für Komposition. Sein Einfluss auf die folgende Musikergeneration war bedeutend. Seine Schüler M. Ravel, Ch. Koechlin, Fl. Schmitt, G. Enesco, N. Boulanger... lernten von ihm den "neuen Klassizismus", ein Zurück zur alten Musik und eine Weiterentwicklung (immer noch auf dem Boden der Tonalität) zur Musik des 20. Jahrhunderts.
Fauré war 51 Jahre alt und hatte nun etwas mehr Zeit zum Komponieren, vor allem in den Sommermonaten. Gedanken an eine Oper kamen in ihm auf. Doch ein gutes Libretto zu finden war schwierig. Es entstand 1898 eine Bühnenmusik zu Pelléas et Mélisande. Daraus entwickelte er später eine Orchestersuite. Seine Oper "Pénélope (Libretto von R. Fauchois) wurde in Monte Carlo mit triumphalem Erfolg uraufgeführt.

Um 1900 verliebte sich Fauré in die 24-jährige Pianistin Marguerite Hasselmans. Die Verbindung wurde nicht verheimlicht und dauerte bis zu Faurés Tod. Eine Heirat wäre zwar wünschenswert gewesen, aber nicht in Frage gekommen.

1905 avancierte Fauré überraschend zum Direktor des Conservatoires. Mit kompromissloser Reformfreudigkeit erneuerte er den Betrieb und entliess die Lehrer, welche ihm nicht passten. Vom Organistendienst in der Madeleine befreite er sich nun für immer.

Lange genug war Fauré mit Geldsorgen geplagt gewesen. Vom 57. Altersjahr an häuften sich die Sorgen um seine Gesundheit. Als Folge von dauernder Überarbeitung litt der Musiker schon früher an Migräne- und Schwindelanfällen. Oft war er auch heiser. Seine zunehmende, wahrscheinlich vererbte Schwerhörigkeit und die dazu kommenden Hörtäuschungen belasteten den Musiker und schränkten ihn immer mehr ein. Anfänglich liess er sich nichts anmerken. Wie Beethoven und Schumann zog er sich mehr und mehr von der Öffentlichkeit zurück. Immer schwieriger wurde es für ihn, Musikvorträge zu beurteilen. 1920 trat er vom Conservatoire zurück.
Fauré komponierte weiter, wenn er auch seine Musik nur noch über die innere Vorstellung hören konnte. Sein Spätstil zeichnet sich aus durch Reduktion und Konzentration, d. h., je einfacher, desto klarer. Beispiele sind das Klaviertrio op.120 und das Streichquartett, sein letztes Werk.

An den Folgen einer Lungenentzündung starb 1924 in seinem achtzigsten Lebensjahr der grosse Meister der Vokalmusik und Erneuerer der französischen Kammermusik. In der Madeleine wurde er mit einem Staatsbegräbnis geehrt, und sein Requiem wurde für ihn gespielt.

 

Christine Bühler

Quelle: Jean-Michel Nectoux, Gabriel Fauré "Les Voix du clair-obscur"; 1990 Flammarion, 616 Seiten, englische Übersetzung  

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