Home
Im Gegensatz zu den
dramatischen Totenmessen von Verdi oder Dvoràk hat die "Messe de
Requiem" von Gabriel Fauré einen ganz anderen Charakter. Fauré
verstand den Tod als "selige Befreiung, als sehnsuchtsvollen
Schritt in jenseitiges Glück", und Zeitgenossen nannten das Werk
ein "Wiegenlied des Todes". Fauré hat bezeichnenderweise das ganze
"Dies irae" weggelassen und dafür zwei Gebete zusätzlich in Musik
gesetzt: "Libera me" und "In Paradisum".
Cantus Basel führt die Fassung für grosses Orchester auf, welche
1901 veröffentlicht wurde. Diese Erweiterung führte nicht etwa zu
einer durchgreifenden Veränderung des Charakters des Werkes. Die
Bläser werden nur punktuell eingesetzt, aber sie haben auf das
Kolorit der Musik eine besondere Wirkung. Die Klangfarben in den
ersten zwei Sätzen sind dunkel gehalten, und, da die ersten Geigen
schweigen, tendiert die Begleitung des Chores auf Tiefenbetonung.
Harmonisch interessant ist vor allem die Überleitung vom
"Introitus" (Tonart: d-moll) zum zweiten Satz, "Offertorium"
(Tonart: h-moll), die ohne Pause zu folgen hat. Diese und der
Beginn des Offertoriums erinnern in ihrer Polyphonie an Palestrina,
eine Wirkung, die Fauré sicher beabsichtigt hat. Im Bariton-Solo
wird die archaisch anmutende Schlichtheit weitergeführt, und auch
der Schluss des Satzes, vom Chor gestaltet, nunmehr aber im
helleren H-dur, behält diese Stimmung. Die beiden zentralen Sätze
in Faurés Requiem sind eindeutig das "Sanctus" und das"Pie
Jesu".Von zauberhaftem Klang ist der Beginn des "Sanctus",
durchgehend in Es-dur komponiert. Fauré hat in diesem Satz zwei
Themen gegenübergestellt, das eine wird vom Chor gesungen, das
zweite wird von den Geigen, die hier zum ersten Mal in Erscheinung
treten, gespielt. Die neuen Klangfarben in den Streichern ergeben
zusammen mit der ebenfalls erstmals in Erscheinung tretenden Harfe
eine aussergewöhnliche Kontrastwirkung. In der Aussage mit dem
"Sanctus" verknüpft, ist das "Pie Jesu". Es ist der einzige Satz,
der dem Solosopran allein vorbehalten ist. Fauré arbeitet vorerst
quasi auf zwei Ebenen: Gesang/Orgel und Streicher/Bläser. Nach und
nach werden die beiden Ebenen miteinander verknüpft. Im "Agnus Dei"
werden zunächst nur die Tenöre von den Streichern begleitet -
motivisch dem "Kyrie" im ersten Satz nicht unähnlich - worauf der
Chor im ersten Tutti zusammen mit den Bläsern einen bewussten
Kontrast setzt. Harmonisch eine der schönsten Eingebungen Faurés
ist zweifellos das "Lux aeterna"; hier spielt Fauré mit
Terzverwandtschaften. Der Chor nimmt mit den Worten "Requiem
aeternam" die Thematik des ersten Satzes wieder auf. Das "Libera
me" ist sicher der dramatischste Teil des ganzen Werkes. In der
Tonart d-moll des ersten Satzes beginnen die tiefen Streicher mit
einem pochenden Ostinatomotiv, womit sie das Flehen des Baritons
"Libera me, Domine, de morte aeterna" wie durch stockendes
Herzklopfen verstärken. Hörner und Posaunen verkünden zusammen mit
dem Chor effektvoll das Nahen des jüngsten Gerichtes. Im
Schlussteil nimmt der Chor unisono das Anfangsmotiv des Baritons
nochmals auf, wiederum von Ostinati in den Streichern untermalt.
Das "In Paradisum" in D-dur klingt nach den sechs vorhergehenden
Sätzen wie ein Abgesang. Die Streicher, welche den Chorsopran
unterstützen, werden nur als Farbe eingesetzt; die Orgel begleitet
zunächst mit harfenähnlichen Motiven, die dann im zweiten Teil auch
von der Harfe übernommen werden. Die pianissimo beginnenden Alt-,
Tenor- und Bassstimmen im Chor werden wie die Streicher als
klangliches Pedal verwendet.
|