Robert Schumann

8. Juni 1810 - 29. Juli 1856

 Clara und Robert Schumann

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Das Werkverzeichnis des Komponisten, von ihm selbst erstellt, als sein Gesundheitszustand sich zusehends verschlechterte, zeigt augenfällig eine Mehrzahl von Vokalmusik, gefolgt von einer stattlichen Anzahl Kompositionen für sein Instrument, das Klavier.
Schumanns Elternhaus in Zwickau, eine Verlagsbuchhandlung, war vollgestopft mit den Klassikern aus ganz Europa. Robert, das jüngste von fünf Kindern, war außerordentlich sprachbegabt. Des Vaters Liebe zur Literatur und der Mutter Freude am Singen prägten ihn stark. Mit sieben Jahren erhielt der „Goldjunge“ den ersten Latein- wie auch den ersten Klavierunterricht. „Ich genoss die sorgfältigste und liebevollste Erziehung“, schrieb er später.
Dass er anders war als andere Kinder, fühlte Robert sehr früh. Seine Schulkameraden am Gymnasium sahen in ihm bereits den zukünftigen Schriftsteller. Er selber träumte davon, einmal berühmt zu werden, auf welchem Gebiet war noch unklar; Stimmungsschwankungen rissen ihn immer wieder hin und her zwischen Poesiewünschen und
Musiksehnsüchten.

Zu einem angesehenen Bürger gehörte eine vornehme Bildung: Robert sollte nach bestandener Matur, noch nicht achtzehnjährig, das Jurastudium ergreifen und deshalb nach Leipzig übersiedeln.
Die Suche nach der eigenen Identität fand in dieser grossen Kulturstadt ihren Fortgang. Die Möglichkeiten waren so vielfältig, dass der junge Schumann zwar alles fand, was ihn interessierte, vor allem Literatur und Musik, aber am für ihn bestimmten Studium hatte er keine Befriedigung. Er beschäftigte sich eingehend mit Jean Paul und versuchte auch, durch eigenes Schreiben seine Gefühle auszudrücken. Oft sass er jedoch stundenlang am Flügel und fantasierte vor sich hin.
Im Hause eines kunstliebenden Professors lernte Robert Schumann den gebildeten Klavierlehrer Friedrich Wieck kennen, welcher ihn technisch und theoretisch weiterunterrichten wollte. Wieck war der strenge und ehrgeizige Vater der damals neunjährigen Clara, die noch im selben Jahr ihr Konzertdebut im Gewandhaus gab.
Zehn Jahre später war Clara Roberts Verlobte, und ihr Vater Roberts Gegner in einem gerichtlichen Prozess, dessen Ausgang erst den Liebenden die Eheschließung ermöglichte.

1830, nach einem Jahr an der Universität Heidelberg, teilte Schumann seiner Mutter in dem "wichtigsten Brief", den er je geschrieben habe und schreiben werde, seinen Entschluss mit, den Beruf des Musikers zu ergreifen. Sein ganzes Leben sei ein "zwanzigjähriger Kampf zwischen Poesie und Prosa gewesen".
Nun wollte er sich auf eine Pianisten Laufbahn konzentrieren. Vieles war nachzuholen. Wenn er sich beispielsweise mit dem etwa gleichaltrigen Felix Mendelsohn verglich, welcher schon als Fünfzehnjähriger neun Streichersinfonien komponiert hatte, kam er sich gering vor. Schumann übte fleißig Tonleitern und Etüden. Er war ein Bewunderer der beiden Virtuosen Liszt und Paganini.

Doch schon nach einem Jahr brach er das Studium bei Wieck, wo er auch wohnen durfte, wegen der häufigen Kontroversen ab. Theorieunterricht nahm er nun am Leipziger Hoftheater. Sein verbissenes Klaviertraining führte zur Versteifung des dritten Fingers seiner rechten Hand. Der Traum vom berühmten Pianisten war ausgeträumt.
An dieselbe Stelle trat der Komponist: Es folgten neuartige, poetische Klavierkompositionen, aber auch eine Toccata, womit Robert Schumann seine Verehrung für Joh. Seb. Bach bekundete. Endlich wagte er sich auch an eine Sinfonie, doch blieb der erwartete Erfolg aus; er wurde zur schmerzlichen Niederlage. Dagegen fand die C-Dur Sinfonie des neunzehnjährigen Richard Wagner beim Publikum wohlwollende Zustimmung.

Oft hatte Schumann schon über Musik geschrieben. Als knapp Vierundzwanzigjähriger gründete er nun seine "Neue Leipziger Zeitschrift für Musik". Das Schreiben erlaubte ihm, der sich in Gesellschaft meist gehemmt und unwohl fühlte, eine mögliche Wirksamkeit an Stelle des Sprechens. Er erhoffte sich damit, "die höhere Epoche einer allgemeinen musikalischen Bildung herbeizuführen".
Wenn Schumann für die Öffentlichkeit schrieb, so versteckte er sich gerne hinter irgendwelchen selbsterfundenen Namen. So standen in der selben Zeitung manchmal zwei kontroverse Artikel unter verschiedenen Namen; dies, um die Leser wachzurütteln und zum Nachdenken anzuregen. Für sich privat, aber auch unter seine Klavierkompositionen, setzte er die beiden Namen Florestan oder Eusebius. Der erste meinte den leidenschaftlichen, feurigen Schumann und der zweite den weichen, stillen und melancholischen. Sie waren wie Masken, hinter denen er sich und seine Seelenzustände verbergen konnte.

1840, im Jahr der Eheschließung entstanden die meisten Lieder. Der Kampf um Clara war gewonnen, die zwei Jahre der Hoffnungen, aber oft auch Verzweiflung waren vorbei. "Ach Clara, was das für eine Seligkeit ist für Gesang zu schreiben; die hatte ich lange entbehrt", schrieb Robert anfangs dieses Jahres.
Wie Beethoven und Schubert fasste er seine Lieder zu Zyklen zusammen, meist nach Texten eines einzigen Dichters. Von den Zeitgenossen waren es Heine, Rückert, Eichendorff, Hebbel und noch wenige andere, deren Gedichte er vertonte. Der neue Dichtergeist spiegelte sich in der Art, wie Schumann die Klavierbegleitung komponierte: Einen Rhythmus oder eine Begleitfigur hielt er von Anfang bis Schluss durch.

Doch die Lieder taugten nicht für den großen Konzertsaal. Deshalb schrieb der Komponist in der Folge ebenfalls Lieder für Gesangvereine, d.h. für Laiensänger. Diese Werke konnten in größeren Auflagen recht gut verkauft werden.
Der Wunsch, ein Klavierkonzert zu schreiben und auch, sich im Sinfonischen nochmals zu versuchen, blieb bestehen, denn wie sonst hätte er noch zu Ruhm kommen können?
Clara hatte sich der Welt bewiesen, sie hatte in Wien und auch in Paris grossen Erfolg geerntet, sie war sogar zur königlich kaiserlichen Kammervirtuosin erklärt worden.

 Die Jahre 1844-56 (Kurzüberblick)

 1844 -Rücktritt von der Redaktion der Zeitschrift
-Zusammenbruch im August
-Umzug nach Dresden im Oktober
 1845 -Fugen- und Kontrapunktstudien
-Operngespräch mit Wagner; "Tannhäuser"-Uraufführung (Widmung an Schumann)
-3. Kind Julie geboren
 1846 -Sinfonie C-Dur op. 61
-4. Kind Emil geboren
-Kuraufenthalt auf Norderney
-Konzertreise nach Wien
 1847 -Tod des Kindes Emil
-Schumann-Fest in Zwickau (Geburtsort)
-Besuch von Hebbel
-Leitung der "Liedertafel" und Gründung eines Chorvereins
-Tod Mendelssohns und Fanny Hensels
 1848 -Revolutionsjahr; "grosse Zeiten" steht im Tagebuch
-Oper "Genoveva"
-Album für die Jugend op.68
-5. Kind Ludwig geboren
 1849 -3. Abteilung von "Szenen aus Goethes Faust" beendet, ohne Opuszahl, zur Hundertjahrfeier von Goethe in Dresden, Leipzig und Weimar (unter der Leitung von Liszt) aufgeführt
-"Manfred" op.115
-Kammermusikwerke
-Konzertkompositionen
-zahlreiche Chorwerke und Lieder
-Tod des Bruders Carl
-6. Kind Ferdinand geboren
-2.Abteilung von "Szenen aus Goethes Faust"
 1850 -Cellokonzert op.129
-"Rheinische Sinfonie"
-Konzerttourneen von Clara
-"Genoveva" (Uraufführung)
-Umzug nach Düsseldorf; Schumann wird Städtischer Musikdirektor




 1851 -Reise nach Süddeutschland und in die Schweiz
-7. Kind Eugenie geboren
 1852 -Messe op.147
-Requiem op.148
-Schwere Erkrankung
-Kuraufenthalt in Scheveningen
-Konflikte mit dem Konzertkomitee
 1853 -Ouverture zu "Szenen aus Goethes Faust"
-Violinkonzert ohne Opuszahl
-"Gesänge der Frühe" op.133
-Freundschaft mit dem Geiger Joachim und mit Johannes Brahms
-Konzertreise nach Holland
 1854 -"Gesammelte Schriften über Musik und Musiker" veröffentlicht
-Arbeit am "Dichtergarten"
-Konzertreise nach Hannover
-Treffen mit Joachim und Brahms
-schwere Halluzinationen
-"Geistervariationen"
-Selbstmordversuch im Rhein
-Aufnahme in die psychiatrische Anstalt in Enderich, Isolierung
-8. Kind Felix (nach Mendelssohn) geboren
-Konzertreisen Claras
 1853 -Ouverture zu "Szenen aus Goethes Faust"
-Violinkonzert ohne Opuszahl
-"Gesänge der Frühe" op.133
-Freundschaft mit dem Geiger Joachim und mit Johannes Brahms
-Konzertreise nach Holland
 1854 -"Gesammelte Schriften über Musik und Musiker" veröffentlicht
-Arbeit am "Dichtergarten"
-Konzertreise nach Hannover
-Treffen mit Joachim und Brahms
-schwere Halluzinationen
-"Geistervariationen"
-Selbstmordversuch im Rhein
-Aufnahme in die psychiatrische Anstalt in Enderich, Isolierung
-8. Kind Felix (nach Mendelssohn) geboren
-Konzertreisen Claras
 1856 -Robert Schumann stirbt am 29.Juli

Literatur:

  • Peter Gutermeister: Robert Schumann - Sein Leben (Verlag ExLibris, Zürich)
  • Dietrich Fischer Dieskau: Robert Schumann - Wort und Musik (Deutsche Verlags-Anstalt)
  • Udo Rauchfleisch: Robert Schumann - Leben und Werk, Eine Psychobiographie (Verlag Kohlhammer)

Die Jahre 1840-44 in Leipzig

"Mein herzallerliebstes junges Weib! ... Das Büchlein, das ich heute eröffne, hat eine gar innige Bedeutung; es soll ein Tagebuch werden über alles, was uns gemeinsam berührt in unserem Haus- und Ehestand.... Ein guter, wahrer Freund soll es sein, dem wir alles anvertrauen ... Eine Zierde unseres Tagebüchelchens soll die Kritik unsrer künstlerischen Leistungen werden; z.B. kommt genau hinein, was Du vorzüglich studiert, was Du komponiert, was Du Neues kennengelernt hast, und was Du davon denkst; dasselbe findet bei mir statt."
Es wurde vereinbart, dass sie sich wöchentlich abwechselten mit den Eintragungen. Wenn Robert seine Pflicht vernachlässigte, so führte Clara das Tagebuch weiter.
Künstlerisch war Robert Schumann in den Jahren 40-44 sehr produktiv. Clara hingegen musste ihre Ansprüche zurücknehmen. In der Wohnung an der Inselstr. 5 in Leipzig standen zwar zwei Flügel; wenn aber Robert am komponieren war, so durfte Clara nicht üben. Infolge dessen stellten sich bei der Pianistin schnell "Rückschritte" ein. Konzertangebote musste Clara ablehnen; "Robert wünscht es nicht", schrieb sie ins Tagebuch.
Robert, der die Unzufriedenheit seiner Frau bemerkte, begann nun, mit Clara Bach's "Wohltemperiertes Klavier" und später Beethovens Sonaten und Sinfonien zu studieren. Er unterwies sie im Fugenschreiben und ermunterte sie zu komponieren. 1841 veröffentlichten sie gemeinsam ein Liederheft mit drei Vertonungen von Clara und neun von Robert.
Nach Beethoven noch eine Sinfonie zu komponieren, das erforderte Mut. Als Schumann zwei Jahre zuvor in Wien - er hatte dort vergeblich versucht seine Zeitschrift erscheinen zu lassen - das Manuskript der grossen C-Dur Sinfonie von Schubert entdeckte, war er davon sehr beeindruckt. Da sein Selbstvertrauen seit der Heirat neu gestärkt war, wagte er sich im Januar 41 an eine neue Sinfonie. Bereits Ende Februar schrieb er sie fertig und nannte sie "Frühlingssinfonie". Felix Mendelssohn, der die Uraufführung im Gewandhaus dirigierte, sprach seine Anerkennung aus. Clara trat bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal nach langer Pause wieder öffentlich auf. Weitere Aufführungen dieser Sinfonie in B-Dur folgten in Weimar, Bremen, Hamburg, Berlin, Den Haag und Rotterdam. Der Durchbruch als Komponist war damit über die Grenzen hinaus geschafft.
Schon im Mai schrieb Schumann eine "Phantasie in a-Moll" für Klavier und Orchester. Zwei weitere Sätze ergänzten später das Werk zum einzigen Klavierkonzert.
Auch noch im selben Jahr entstand eine zweite Sinfonie in d-Moll, welche Schumann 1851 nochmals überarbeitete und als vierte Sinfonie herausbrachte.
Geldsorgen und der dringliche Wunsch Claras, wieder auftreten zu können, bewogen die beiden, im Februar 42 eine Konzertreise nach Bremen und Hamburg zu unternehmen. Von dieser Reise kam Robert alleine zurück. Redaktionsarbeiten zwangen ihn einerseits dazu, andererseits konnte er schlecht ertragen, im Hintergrund seiner Frau zu stehen. Clara reiste mit einer Begleiterin weiter nach Kopenhagen. Unter ihrer Trennung schienen beide zu leiden, doch wirtschaftlich hatte es sich gelohnt.
Das Jahr 1842 wurde vorwiegend zum Jahr der Kammermusik. Zusammen mit Clara studierte Robert Schumann Streichquartette von Haydn und Mozart.
Sein erstes Streichquartett widmete er Felix Mendelssohn, der übrigens als Pate für die 41 geborene Tochter Marie ausgewählt worden war. Das Klavierquintett op.44 war Clara gewidmet, die bei der Erstaufführung als Pianistin mitwirkte.

Im Jahr 1843 entstand das bereits 41 geplante weltliche Oratorium, ein ganz neues Genre für den Konzertsaal: "Das Paradies und die Peri". "Dichtung" setzte der Komponist unter den Titel. Die Handlung spielt im Orient, und in der Person der Peri sah Schumann das Höhere, Erstrebenswerte des Erdenwandels. Auf die Sühne folgt die Erlösung. (Dieses Thema werden wir später wieder antreffen). Mit Enthusiasmus stürzte sich der Komponist in die Arbeit. Die Uraufführung am 4. Dezember 43 wurde ein Erfolg. Robert stand zum ersten Mal am Dirigentenpult. Auch von Richard Wagner und Franz Liszt kam Lob, und Mendelssohn gefiel das Werk ebenfalls. Der Schwiegervater Wieck reagierte mit einem Versöhnungsbrief.

Seit Anfang April 43 unterrichtete Robert Schumann am neuen Leipziger Konservatorium, wo auch Mendelssohn, der sich um die Gründung bemüht hatte, lehrte.

Von einer Konzertreise nach Russland hatte man schon lange gesprochen, aber Robert konnte sich erst dazu entschliessen, nachdem Mendelssohn, von Clara veranlasst, ihn hatte überreden können. Die Kinder Marie und Elise (im April 43 geboren) wurden zu Roberts Bruder gebracht.

Finanziell wurde die Reise nach Petersburg und Moskau ein grosser Erfolg. Clara konzertierte auch in anderen Städten unterwegs. Sie wurde überall mit Jubel empfangen. Auf den Programmen standen Werke von Beethoven, Mendelssohn, Chopin, Liszt, Bach und Scarlatti, aber auch eigene. Doch von Robert wagte sie kaum etwas öffentlich zu spielen. Immerhin führte man im privaten Kreis seine Kammermusik auf, und einmal dirigierte er seine Frühlingssinfonie. Er war fast dauernd krank, litt unter einer schweren Erkältung, rheumatischen Schmerzen, Schwindelanfällen und Angstzuständen. Die Ärzte sprachen von einem "Nervenfieber".
Robert zog sich immer mehr zurück, wurde immer wortkarger und flüsterte manchmal fast unverständlich. Das Reisen machte ihn nervös. Zum Komponieren fehlte ihm die Ruhe.
Schon längst trug er Pläne mit sich herum, eine Oper zu schreiben, an möglichem Stoff fehlte es ihm nicht. "Eine deutsche Oper" sollte entstehen; er bete am Morgen und am Abend darum, äusserte er einmal.
Schumann las nun den zweiten Teil des "Faust" und dachte an eine Vertonung. "Faust's Verklärung" zog ihn an. Als nach mehr als vier Monaten die Schumanns wieder nach Leipzig zurückkehrten, begann Robert, noch immer geschwächt, mit der intensiven Arbeit.

Christine Bühler