Konzert in Basel am 18. Mai 2003: "Basler Komponisten"
Ankündigung in der Basler Zeitung, Basler Agenda
Nr. 20 (15. - 21 Mai 2003)
Konzerte des Chors Cantus Basel, des Neuen Basler Kammerchors und der
Vocales Basilienses
Rossini, das Huhn und die "6"
Wenn
der Neue Basler Kammerchor unter der Leitung von Martin Schmidt
Rossinis "Petite Messe Solennelle" aufführt, mit Klavier und Harmonium,
gibt es nicht viel zu erklären - Rossinis Meisterstreich hört man immer
gern.
Im Konzept aufwändiger ist das Konzert des Chors Cantus unter
der Leitung von Walter Riethmann. Man hat Werke von sieben Basler
Komponisten aus einem Zeitraum von rund 500 Jahren ausgewählt. Das
Programm konfrontiert den in der Renaissance in Basel orgelnden und
lehrenden Belgier Samuel Mareschall mit dem 1919 geborenen, in Basel
heimisch gewordenen St. Galler Robert Suter; von diesem gibts "Drei
geistliche Sprüche".
Der um 1486 in Basel geborene Ludwig Senfl will ein "Herzlieb
erwerben", wenn "es taget vor dem Walde"; der 1953 in Basel geborene
David Wohnlich hofft mit Christian Morgenstern, man möge dem Huhn in
der Bahnhofshalle ("nicht für es gebaut") nichts tun. Seine Gesänge
nach Morgenstern-Gedichten für gemischten Chor und Schlagzeug
(1984/2003) werden in diesem Konzert uraufgeführt. Die anderen Basler
im Programm: Conrad Beck ("Der Tod des Oedipus"), Peter Escher, Hans
Huber.
Eine zweite Chor-Uraufführung ist bei den Vocales Basilienses unter der Leitung von Rolf Urech zu erleben. Der in Liestal aufgewachsene Markus Wettstein, heute in Berlin, stellt seinen Sestinenzirkel für Chorgruppen und Klavier vor. Das Stück orientiert sich an der alten Gedichtform der Sestine -sechs sechszeilige Strophen mit wiederkehrenden Schlüsselworten - und kombiniert ein eingegrenztes Material in sechs Abschnitten immer neu. Der Zauber der Zahl "6" wird auch bei Palestrina, Monteverdi, Strawinsky sowie den experimentell mit der Form spielenden Komponisten Oskar Pastior und Christoph Schiller erkundet. tw
BASEL. Konzerte mit Programmen von
speziellem
Zuschnitt werden in der Regel gut besucht - so auch das in der
Martinskirche. Ein solches allein mit Basler Komponisten hat der Chor
Cantus Basel zusammengestellt, mit sieben an der Zahl - drei lebenden
und vier verstorbenen. Berücksichtigung fanden vor allem Vokalwerke.
Von Peter Escher, der als einziger mit zwei Stücken vertreten war,
gelangten solche für Bläser zur Wiedergabe. Dort, wo orchestrale
Begleitung vonnöten war, kam das Kammerensemble Consortium Musicum zum
Einsatz. Für Eschers Werke setzten sich herzhaft und mit Verve Rudolf
Mahni, Dirk Amrein, Misha Meyer und Christoph Schildknecht ein. Wo es
nötig war, versah Daniel Bosshard den Orgelpart, bei Hans Hubers
Liedern waren die Dienste der Pianisten Christina Peter und - auch hier
- die Daniel Bosshards gefragt.
Prägnante und gut akzentuierte Gestaltung
Mit vier Psalmen für Orgel und Chor von Samuel Mareschall (1554-1640)
wurde das Konzert eröffnet. Der gebürtige Belgier war ab 1577 Organist
am Basler Münster. Schlicht und natürlich, wie es sein soll, der
Vortrag durch Cantus Basel. Prägnant und in Deutlichkeit ansprechend
die drei geistlichen Sprüche für eine Solostimme und Chor a cappella
des 1919 geborenen und in Binningen lebenden Komponisten Robert Suter.
Peter Escher, 1915 in Basel zur Welt gekommen, wandte sich
kompositorisch diversen Gebieten zu und war in manchen Funktionen
tätig: als Dirigent, Lehrer und Experte. Musica per Tromba op.74 und
ein Quintett für zwei Trompeten und drei Posaunen, op. 114 boten
unterhaltsame Musik.
Von Ludwig Senfl weiss man, dass er 1486 in Basel geboren wurde, doch
sind nicht alle Lebensdaten bekannt und dokumentiert. Er komponierte
vorwiegend geistliche Musik, hier jedoch trug der Chor vier Lieder a
cappella in volksliedhaftem Stil vor, fein differenziert in Gestus und
Ausdruck.
Die einzige Uraufführung steuerte David Wohnlich bei: fünf Lieder nach
Gedichten von Christian Morgenstern für gemischten Chor und Schlagzeug.
Den Texten adäquat nachempfunden haftete den Vertonungen etwas
Anekdotisches, spielerisch Verspieltes und fast Beiläufiges an - so,
als würde der Sprechton leicht angehoben und in die Länge gestreckt.
Endlich wurde in diesem Konzert auch geklatscht, wofür sich der
Komponist spontan bedankte.
Die aufwendigste Komposition war Conrad Becks (1901-1989) Cantate für
drei Solostimmen, Chor, zwei Trompeten, zwei Posaunen, Pauken und
Orgel: "Der Tod des Oedipus". Dass Entscheidendes rüberkam, geht da auf
das Konto der drei Gesangssolisten, Anna Maria Locher, Sopran
(Antigone) und insbesondere Ron Epstein, Tenor (Erzähler), und Stefan
Vock, Bariton (Oedipus). Klanglich delikat und treffend im Ausdruck der
Chor bei Nummer 10 und 12 des Textes.
Mit fünf Liedern der Vokalquartette, op. 52 für Chor und Klavier zu
vier Händen der einstmals wichtigen Musikerpersönlichkeit Hans Huber
(1852-1921) endete das Konzert.
"CANTUS BASEL" IN DER MARTINSKIRCHE
Ist das Rheinknie auch ein Chorknie? Der "Cantus Basel" unter der Leitung von Walter Riethmann. Foto Pino Covino
Bekanntlich tummeln sich in Basel Komponisten en masse. Aber ist unser Rheinknie dadurch schon automatisch ein Chorknie? Der traditionsreiche Konzertchor "Cantus Basel" wagte unter seinem umtriebigen Leiter Walter Riethmann in der Martinskirche ein pures Basel-Konzert, will sagen: einen langen pausenfreien Nachmittag mit Musik aus der Feder von Komponisten mit Bezug zu Basel - von Ludwig Senfl bis David Wohnlich.
Zu den aus interpretatorischer Sicht
erfreulicheren
Ereignissen dieses Konzertes gehörten sicher die Wiedergaben der Werke
von Samuel Mareschall (1554-1640) und Robert Suter (geb. 1919). Während
Mareschalls "Vier Psalmen für Chor und Orgel" sich allerdings nicht als
Konzert-Knüller, sondern eher als bessere Einsing-Übung aufdrängten,
bewies Suter in seinen "Drei geistlichen Sprüchen", dass es möglich
ist, anspruchsvolle Musik zu schreiben, die auch von Laien gut gesungen
werden kann. Im Dialog mit der Sopranistin Anna Maria Locher entfaltete
der Chor Suters dezent mit modernem Vokabular durchsetzte traditionelle
Vokalgrammatik.
Auch David Wohnlich weiss gut Bescheid um die
Grenzen des Machbaren im Amateurchorwesen. Und um den Spass, den es
machen kann, das Singen. In seinen im besten Sinn madrigalesken "5
Liedern nach Gedichten von Christian Morgenstern für gemischten Chor
und Schlagzeug" (1984/2003) stand dem Chor ein Schlagzeuger zur Seite,
der aus Morgensterns Versen konkrete Klänge wie Stuhlknarren ("Der
Schaukelstuhl auf der verlassenen Terrasse"), Regengeräusch ("Der
Walfafisch oder das Überwasser") oder Geflügelton ("Das Huhn") zog. Die
Wohnlich'sche Rechnung ging auf: Heiterste Morgensterngefühle beim
Singen, Schlagen und Hören.
Als totale Überforderung für die sehr engagierten Sängerinnen und
Sänger erwiesen sich aber Ludwig Senfls wundervolle "Vier Lieder für
Chor a cappella". Die Textverständlichkeit tendierte gegen null, Senfls
Süsse und die dramatische Dimension des äusserst kunstvoll gearbeiteten
Tonsatzes gingen in mangelhaftem Deklamiervermögen fast gänzlich
verloren.
Als weitere Chorgrenzerfahrung brachte man Conrad Becks "Der Tod des
Ödipus" zu Gehör - eigentlich eine schöne grosse Kantate, der das
Vokalensemble eine Probenphase ruhig ungeteilt hätte widmen dürfen. Zu
ihrer Aufführung stiessen Locher, Ron Epstein (Tenor) und Stefan Vock
(Bariton) erfreulich hinzu - sowie der Trompeter Stefan Meier und
andere Blechbläser aus dem Consortium Musicum, die das Chorkonzert mit
Blechbläsermusik von Peter Escher auflockern wollten. Zur Krönung des
Ganzen erklangen schliesslich noch die "Vokalquartette" op. 52 von Hans
Huber. Zum überzeugenden Aufschwung in die schwülstige Welt des
Namenspatrons des gleichnamigen Saals fehlte zuletzt einfach die Kraft.