Konzert in Zürich am 28. Oktober 2006, in Basel am 29. Oktober 2006;
F.Th. Fröhlich "An Babels Strömen" Erstaufführung, F. Mendelssohn "Infelice", L. Cherubini "Messe Solennelle"
Ankündigung in der Baslerzeitung vom 26. Oktober 2006:
Felix, Fiocco, Fröhlice: Das Konzertwochende steht im Zeichen der Chöre
Von Siegfried Schibli
Es ist so sicher wie das Amen in der Kirche:
Geht der Oktober zu Ende, sind die früchte unserer Laienchöre reif und
wollen geerntet werden.
Ein Teil der "klassischen"
Musikkultur wird nicht von professionellen Kräften bestritten, sondern
von Laien. Das gilt besonders für die Chorkultur, die davon profitieren
kann, dass Chorwerke seit jeher fast immer in erster Linie für
Laienchöre geschrieben worden sind. Selbst die grössten
Chorkompositionen von Bach, Beethoven oder Brahms sind von Laiensängern
zu bewältigen - ja, bisweilen möchte man ein engagiertes Laienensemble,
das mit Herzblut bei der Sache ist, der kalten Profi-Qualität gar
vorziehen. Am Wochenende begegnen in Chorkonzerten der Region so
bekannte Komponistennamen wie Carl Orloff ("Carmina burana") oder Felix
Mendelssohn-Bartholdy, daneben aber auch so wenig bekannte Namen wie
Joseph Hector Fiocco und Friedrich Theodor Fröhlich. Auch den Russen
Bortniansky und den Italiener Cherubini darf mann in diese Reihe
aufnehmen.
Flämisch. Machen
wir den Anfang mit dem reformierten Kirchenchor Sissach. Er bietet
gleich in drei Durchgängen eine schweizer Erstaufführung dar - die
Missa Solemnis des flämischen Geigers und Chorleiters Joseph Hector
Fiocco (1703 - 1740). Christoph B. Herrmann leitet die Aufführungen mit
Solisten, Chor und dem Leimentaler Kammerorchester. Ebenfalls eine
Missa Solemnis, die Krönungsmesse für Louis XVIII von Luigi Cherubini,
bietet der Cantus Chor dar. Neben diesem Monumentalwerk der
italienischen Opernmeisters steht die schweizer Erstaufführung der
Psalmvertonung "An Babels Strömen" des in Brugg geborenen Friedrich
Theodor Fröhlich. Dieser erlernte sein kompositorisches Handwerk
hauptsächlich in Berlin, wo er beim berühmten Zelter studierte und die
neustern Werke der Zeit - Beethoven, Mendelssohn, Spohr und Paganini -
hörte. Wie weit sein geistliches Werk von diesen Erlebnissen geprägt
ist, wird spannend zu hören sein.
Amerikanisch. Andere
Wege geht derweil die Basler Liedertafel. Sie tritt am Wochenende
gleich in zweifacher Gestalt mit zwei Programmen auf - am Samstag der
Reveille-Chor im Häbse-Theater mit einem amerikanischen Programm unter
dem Titel "At the river" und am Sonntag der Grosschor im Verbund mit
dem Wiener Männergesang-verein in Münchenstein mit einem aus
Wienerischem und Russischem gemischten Program.
CHORKONZERT Die Chöre Cantus Basel und Cantus Zürich haben «An Babels Strömen» des Schweizer Romantikers Friedrich Theodor Fröhlich aufgeführt. Begleitet wurden sie vom «Consortium Musicum».
Vier Monate hat es ungefähr gedauert, die
handschriftliche Partitur Friedrich Theodor Fröhlichs zu entziffern,
stellenweise zu transponieren und ins Reine zu schreiben. Bisher lag
die Partitur des 137. Psalms nämlich nur als Originalversion in der
Universitätsbibliothek Basel vor. Und wenn der Dirigent und Musiker
Walter Riethmann auf seiner Suche nach verborgenen musikalischen
Schätzen nicht darauf gestossen wäre, würde die Komposition des
romantischen Schweizer Komponisten Friedrich Theodor Fröhlich
wahrscheinlich weiter vor sich hin dämmern. So aber kam das Publikum in
den Genuss einer Rarität. Die Komposition mit Namen «An Babels Strömen»
ist gross angelegt, und gross war dementsprechend auch das Aufgebot an
Sängerinnen und Sängern: Die beiden Chöre Cantus Basel und Cantus
Zürich standen gemeinsam auf der Bühne und wurden begleitet vom
Consortium Musicum.
Den Solopart übernahm die Sopranistin Maria C. Schmid, die es mit ihrer
kraftvollen Stimme durchaus mit den Chören und dem Orchester aufnehmen
konnte, ihre Stimme bewahrte ihre Ausdruckskraft in allen Tonlagen und
Stimmungsfärbungen. Stimmungswechsel gab es viele in Fröhlichs Werk.
Die beiden Chöre sangen unter der Leitung von Walter Riethmann mit
grossem Engagement und mit Begeisterung und überzeugten das Publikum so
von der Qualität des Notentextes.
NEBST DER KONZERTARIE «Infelice» von Felix Mendelssohn Bartholdy mit
einem wundervollen Sopranpart gelangte noch die «Messe Solennelle» des
italienischen, lange in Paris arbeitenden Komponisten Luigi Cherubini
zur Aufführung. Nicht unähnlich dem 137. Psalm des Schweizer
Komponisten Fröhlich war auch dieses Werk über Jahre in Vergessenheit
geraten: Die Komposition war als Krönungsmesse für den französischen
König Ludwig XVIII. gedacht, der wurde allerdings nie gekrönt.
Cherubinis «Messe Solennelle» wurde deshalb erst viel später
uraufgeführt und gehört seither zu einem der beliebten Chorwerke. Den
Chören aus Basel und Zürich stand hier kein Solist gegenüber, dafür
durften sie ihre ganze Kraft in einem kraftvollen Freudengesang
ausdrücken. Die Chorsängerinnen und -sänger fühlten sich dabei hörbar
wohl. Auch das Orchester stand dem in Nichts nach, wodurch sich ein
eindrückliches Hörerlebnis ergab.
Der Zürcher Oberländer / Anzeiger von Uster
Cantus Zürich Interessantes Chorkonzert im Neumünster Zürich
Chorwerk aus dem Archiv geholt
Zumindest als Schweizer Erst-, wohl sogar als Uraufführung sang der Zürcher Cantus-Chor ein Werk des Aargauers Fröhlich.
Von Sibylle Ehrismann
Walter Riethmann gehört zu den engagierten
Chordirigenten, die gerne auch in Bibliotheken und Archiven graben. In
jüngster Zeit hat er sich mit dem Nachlass des Aargauer Frühromantikers
Friedrich Theodor Fröhlich (1803-1836) befasst, der in der
Universitätsbibliothek Basel liegt. Dort fand er die handschriftliche
Partitur des «Psalm 137» für Sopran, Chor und Orchester, den Fröhlich
unter dem Motto «An Babels Strömen» während seiner Studienzeit in
Berlin komponiert hatte und der wohl nie aufgeführt wurde. So hat
Riethmann die Arbeit auf sich genommen, das Aufführungsmaterial selber
bereitzustellen.
Das kurze, ausdrucksstarke Werk wurde nun im Herbstkonzert des Cantus
Zürich am Samstagabend in der Kirche Neumünster Zürich erstaufgeführt.
Den Zürcher Chor verstärkte dabei der Cantus Basel, Riethmanns
Orchester, das Consortium Musicum, begleitete. Die Chorstärke war denn
auch beachtlich, was der expressiven Musik Fröhlichs nachhaltige
Wirkung sicherte. Die Sopranistin Maria C. Schmid, in ihrer Arie vom
Orchester noch etwas schleppend begleitet, verlieh der fantasievollen
Modulationstechnik dieses bedeutenden Schweizer Frühromantikers einen
frischen Glanz.
Gut zu Fröhlich passte Felix Mendelssohns dramatische Konzertarie
«Infelice», die Maria C. Schmid mit ihrer lyrischen Stimme überraschend
kraftvoll präsentierte. Fröhlich erlebte nämlich in Berlin Mendelssohns
denkwürdige Wiederaufführung von Bachs «Matthäuspassion» und lernte den
Meister persönlich kennen. Als Schüler von Friedrich Zelter vermochte
sich Fröhlich in Berlin jedoch nicht durchzusetzen und kehrte in seine
aargauische Heimat zurück, wo er sich 1836 resigniert und in
existentieller Not das Leben nahm.
In der «Messe solennelle» von Luigi Cherubini vermochten dann die
vereinten Cantus-Chöre ihre Stärken voll und ganz zu zeigen: eine hohe
Aufmerksamkeit für die zum Teil abrupten dynamischen Wechsel - man
denke nur an das «Crucifixus» im Credo mit den tiefen Blechbläsern, dem
der jubelnde Ausbruch im «Et resurrexit» folgt.
Walter Riethmann dirigierte engagiert, verleitete aber mit seiner
grossen Gestik den Chor und das Orchester dazu, rhythmisch etwas gar
militärisch und zeitweise recht wuchtig im Klang zu agieren.